TV-STAR CHRISTIAN BERKEL ÜBER UNGERECHTE BEZAHLUNG: „Meine Frau bekommt weniger Gage als ich“

Andrea Sawatzki und Christian Berkel sind seit neun Jahren verheiratet und seit 23 Jahren ein Paar. Die beiden haben zwei Söhne (18, 21)

Andrea Sawatzki und Christian Berkel sind seit neun Jahren verheiratet und seit 23 Jahren ein Paar. Die beiden haben zwei Söhne (18, 21)

Foto: T&T
Von: Michael Schacht

Mit seinem neuen Buch hat er seine weibliche Seite erforscht.

Der zweite Roman von Chrsitian Berkel (63) zweiter Roman „Ada“ (24 Euro, erschienen bei Ullstein) rangiert seit Wochen auf den oberen Plätzen der Bestsellerliste.

Für den Top-Schauspieler (63, „Inglourious Basterds“) ein gewisses Risiko. Denn – er verknüpft darin nicht nur seine Familiengeschichte mit deutscher Zeitgeschichte, sondern erzählt den Roman komplett aus weiblicher Sicht.

Mit BILD spricht Berkel über die Ungerechtigkeit, dass seine Frau Andrea Sawatzki (57) weniger verdient als er, warum er lange gegen und jetzt für ,Pro Quote' ist und wer seine Liebe zur Literatur entfacht hat.

Christian Berkel ist einer der erfolgreichsten Schauspieler Deutschlands. Seine zwei Romane landeten auf Anhieb auf den Bestsellerlisten

Christian Berkel ist einer der erfolgreichsten Schauspieler Deutschlands. Seine zwei Romane landeten auf Anhieb auf den Bestsellerlisten

Foto: API

BILD: Sie sind seit vielen Jahren erfolgreich als Schauspieler. Gerade ist ihr zweiter Roman „Ada“ erschienen. Was lässt sie schreiben?

Christian Berkel: „Ich konnte als Kind morgens immer ganz schwer aufstehen. Meine Mutter hat mir dann nach dem Wecken eine Platte aufgelegt, so dass ich noch eine halbe Stunde Zeit hatte zum Wachwerden. Diese Platten waren immer Theaterplatten. Zwischen sechs und zehn habe ich mich also durch die gesamte deutsche Dramen-Literatur gehört. Das hat einen sehr starken Eindruck hinterlassen.“

Ihre Mutter hat Sie also letztlich für Ihren heutigen Beruf begeistert.

Berkel: „Ja. Meine Mutter war nicht die klassische Mutter, die ihr Kind auf den Schoß nimmt, streichelt oder mit ihm spielt. Wo sie allerdings unendlich viel Zuwendung geben konnte, war im Erzählen. Sie hat eine Pflanze in mir gesät, die heute blüht.“

Andrea Sawatzki und Christian Berkel sind seit über zwanzig Jahren liiert. Das Erfolgspaar hat zwei Söhne

Andrea Sawatzki und Christian Berkel sind seit über zwanzig Jahren liiert. Das Erfolgspaar hat zwei Söhne

Foto: WireImage

Wie erinnern Sie Ihr Elternhaus insgesamt?

Berkel: „Alles, was im Zusammenhang mit Kultur stand, war bei uns zu Hause erlaubt. Ansonsten war es eher streng. Insofern erlebte ich es als Paradies. Ins Theater zu gehen, bedeutete frei zu sein. Ein Buch zu lesen, bedeutete unabhängig zu sein.“

Warum haben Sie sich mit dem Schreiben trotzdem so viel Zeit gelassen?

Berkel: „Wahrscheinlich war der Grund, nicht früher zu schreiben, dass meine Eltern noch lebten. Unbewusst jedenfalls. Ich spürte, dass ich nicht frei bin – frei darin, Dinge dazu zu Erfinden. In dem Moment, in dem man Menschen, die einem nahestehen, mit seinen Worten treffen könnte, wird es schwierig, keine Schere im Kopf zu haben.“

Sie schreiben teils autobiografisch. Ist das auch Analyse oder Therapie?

Berkel: „Jede intensive Auseinandersetzung mit einer Geschichte wird immer auch so einen Effekt haben. Für mich war Selbsttherapie aber nie der Ausgangspunkt. Die Frage ist ja: Profitiere nur ich allein, oder haben die anderen auch etwas davon? Ich verknüpfe die Dinge, die ich erlebt habe, mit Zeitgeschichte. Denn Geschichte entsteht auch aus Geschichten. Klar ist: In der Hauptfigur, Ada, steckt eine Menge von mir persönlich. Und einiges, was ich mit Frauen erlebt habe.“

Dass sie aus der Perspektive einer Frau schreiben ist auf den ersten Blick sehr ungewöhnlich...

Berkel: „Obwohl ich nicht der erste Mann bin, der das tut. Am Anfang war die Idee, aus der weiblichen Perspektive zu schreiben, nur ein Versuch. Ich hatte vorher schon ziemlich viele Seiten geschrieben – und wieder weggeworfen. Durch diesen Perspektivwechsel von Mann zu Frau schrieb sich die Geschichte dann plötzlich fast von allein. Ich bin total erschrocken. Natürlich war der nächste Gedanke: Kann ich das überhaupt machen? Speziell in der heutigen Zeit. Vor zehn Jahren wäre das sicher etwas Anderes gewesen. Aber meine Lektorin war total angetan und wir haben entschieden, dass ich weiter schreibe. Ich habe aber noch ziemlich lange gedacht, dass die Leute denken: ,Hat der Berkel eigentlich einen Knall...?'“ (lacht)

Aktueller Bestseller: „Ada“ (24 Euro, erschienen bei Ullstein)

Aktueller Bestseller: „Ada“ (24 Euro, erschienen bei Ullstein)

Foto: Ullstein Verlag

Und?

Berkel: „Ich wusste schnell, dass ich mich einer ganzen Reihe von Problemen widmen muss, die bei Mädchen definitiv anders sind als bei Jungs. Angefangen bei der Pubertät. Aber irgendwann hat es mich gepackt. Es war ein unwahrscheinlicher Reiz, bei allem Bewusstsein, dass ich keine Frau bin, in die weiblichen Anteile zu gehen. Das war ein ganz besonderes Erlebnis und eine Herausforderung. Ich war sehr frei.“

Was haben Sie bei der Erforschung der weiblichen Seite über sich neu gelernt?

Berkel: „Es scheint so zu sein, dass mir diese Seite mehr liegt. Der Grund, warum mich Frauenfiguren mehr anziehen, ist, dass Frauen meist nicht sehr abgesichert sind. Männer lernen schnell und früh, sich abzugrenzen. Frauen werden ganz früh zu einer Art Anpassung erzogen, die sie dann in Konflikte stößt. Dadurch, dass Frauen lange Zeit kein Widerstand zugestanden wurde, mussten sie ihn sich erobern.“

Sind wir heute weiter?

Berkel: „Wir sind sicher weiter, aber nicht weit genug. Ich war lange ein Gegner von ,Pro Quote'. Aber wenn ich mir die Entwicklung angucke, dann sage ich: Es geht wohl nicht ohne, wenn die Leute, meist Männer, absolut kein Einsehen haben. Ich arbeite unheimlich gerne mit Frauen. Was mich bei Männern stört, ist diese Machtkampf-Ebene. Die kostet viel Zeit und lenkt unheimlich vom Thema ab. Das habe ich mit Frauen nie erlebt.“

Auch in der Schauspielerei werden Frauen und Männer immer noch unterschiedlich bezahlt.

Berkel: „Das ist eine völlige Katastrophe. Das habe ich schon früh angeprangert und nie verstanden: Frauen und Männer machen die gleiche Arbeit. Es gibt kein einziges Argument, außer, dass es halt so ist. Und das ist eine Schande.“

Männer müssten also auch verstärkt für Gleichheit kämpfen?

Berkel: „In der Schauspielerei sind die Gagen sind leider nicht offengelegt. Vergleiche sind also eh schon schwierig. Aber nehmen wir doch mal Andrea und mich. Da kenne ich ja die Zahlen. Ich finde es schockierend, dass ihre Gage ganz klar geringer ist als meine. Dafür gibt es keinen Grund. Sie ist weder weniger gut als ich noch weniger bekannt. Ich bin mir sicher, dass wir nicht das einzige Schauspiel-Paar sind, dem es so geht. Aber eine Anhebung der weiblichen Gagen würde eine erhebliche Menge Geld kosten. Und das müssen Sender und Produzenten ausgeben wollen.

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Wollen Sie mit Ihrer Arbeit – den Büchern und den Filmen – die Welt verbessern?

Berkel: „Die Standardantwort auf die Frage, ob Kunst die Welt verändern kann, ist nein, natürlich kann die Kunst das nicht. Ich sehe das anders. Alles, was wir tun, verändert die Welt sowieso. Und mich haben Bücher, Filme und Theateraufführungen verändert. Denn hinterher bin ich ein Anderer als vorher. Ich gehe überall hin mit dem Bedürfnis, dass etwas passiert. Also – Kunst verändert auf jeden Fall etwas.“

Wie begegnen Sie Schreibblockaden?

Berkel: „Die kenne ich zum Glück nicht. Ich setze mich erst an den Schreibtisch, wenn ich wirklich weiß, was ich schreiben will.“

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