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Christian Berkel "Ich nahm jede kleine Liebe mit"

Christian Berkel
Christian Berkel
© Picture Alliance
Sein Charakterkopf ist unverwechselbar - gleichzeitig gilt Christian Berkel als einer der wandelbarsten Schauspieler. Mit "Gala" sprach er über die Lust am Rollenwechsel, seinen spät entdeckten Familiensinn und die neue Leidenschaft für Möbel

Mit langen Schritten durchmisst er das Wäldchen am Berliner Schlachtensee. Sein markantes Kinn trotzt dem Novemberwind. Unwillkürlich schaut man zum Wasser, erwartet dort bereits die Leute von der Spurensicherung. Doch Christian Berkel ist heute nicht als "Der Kriminalist" Bruno Schumann unterwegs (nächste Folge: ZDF, 25. November, 20.15 Uhr), sondern in eigener Sache. Zum "Gala"-Interview in der "Fischerhütte" hat er Fotos mitgebracht, die von seinem Leben erzählen. Das erste Motiv: ein kleiner Torero.

Kleiner Torero: Berkels Lieblingsrolle als Kind - sein Vater spielte den Stier.
Kleiner Torero: Berkels Lieblingsrolle als Kind - sein Vater spielte den Stier.
© Christian Berkel

Was macht ein Junge im Berlin der Sechzigerjahre in einem Torero-Kostüm?

Meine Großmutter, die in Spanien lebte, nahm mich als Vierjährigen zum ersten Mal mit in die Arena. Ich war völlig fasziniert von der Ästhetik, dem existenziellen Kampf um Leben und Tod. Meine Mutter ließ mir dieses Kostüm nähen, und von da an musste mein Vater als Stier herhalten, wenn ich meine Vorstellungen im Hof meiner Großmutter gab. Stierkämpfer war mein erster Berufswunsch.

Bis Sie mit sechs Jahren zum ersten Mal ins Kindertheater gingen ...

Als ich aus dem Theater kam, war ich wie elektrisiert. Ich wusste: Das ist meine Welt, so will ich leben. Da kann man immer wieder ein anderer sein.

Warum wollten Sie als Kind jemand anders sein?

Es gab oft Momente, in denen ich einsam war, ein Gefühl der Fremdheit hatte in dieser Erwachsenenwelt. Ich verstand nicht, was die machen. Ich fand vieles davon langweilig, und vieles wollte ich auch nicht verstehen. Das Theater war wie eine Tür: Da kann ich raus, da kann ich kommunizieren! Aufgegangen ist mir das allerdings erst sehr viel später.

Sie haben als Teenager Schauspielunterricht genommen und mit 19 Jahren in dem Ingmar-Bergman-Film " Das Schlangenei" neben David Carradine und Liv Ullmann gespielt. Eigentlich ein Karrieresprungbrett, doch es blieb zunächst bei diesem Kinodreh. Eine bewusste Entscheidung - oder gab es keine weiteren Angebote?

Im Gegenteil, ich habe sehr große Angebote abgelehnt und bin nach Augsburg ans Theater gegangen. Da haben alle gedacht: Der hat einen Knall! Aber mein Schauspiellehrer sagte: Du bist so jung, du musst nicht heute Karriere machen. Spiele lieber in so vielen unterschiedlichen Stücken wie möglich.

An Ihren Fotos sieht man, wie wandlungsfähig Sie sind. Allerdings ist Ihr Charakterkopf auch Ihr Markenzeichen. Fluch oder Segen?

Fluch ganz sicher nicht. Segen wäre vielleicht zu viel gesagt. Ich habe immer versucht, den Zuschauern nicht das Erwartete zu geben.

Christian Berkels erster Film: "Eine Jugendliebe" mit Cornelia Köndgen aus dem Jahr 1977.
Christian Berkels erster Film: "Eine Jugendliebe" mit Cornelia Köndgen aus dem Jahr 1977.
© Christian Berkel

Ärgert Sie eine Schlagzeile wie "Unser Mann für Nazi-Filme"?

Die fand ich ziemlich doof. Filme wie "Der Untergang" oder "Operation Walküre" haben natürlich viel Aufmerksamkeit bekommen, obwohl sie nur ein kleiner Ausschnitt meiner Arbeit waren. Nach dieser Titelzeile dachte ich: Wenn das die öffentliche Wahrnehmung ist, dann reicht es jetzt damit. Die schauspielerische Auseinandersetzung mit jener Zeit hatte ich ohnehin schon abgeschlossen.

Hat es Ihnen eigentlich etwas ausgemacht, Ihre Haare zu verlieren?

Am Anfang schon. Mir war mit 14, 15 klar, das es passieren wird. Da bekam ich schon leichte Geheimratsecken. Ich wusste aber früh: Das werde ich nie verstecken. Wenn ich eine Stärke habe, dann ist es die, mit dem Mangel umzugehen. Die ganze Kunst des Lebens besteht ja darin, seinen Schwächen nicht auszuweichen, sondern sie in Stärken zu verwandeln.

Große Liebe: Mit Schauspielerin Andrea Sawatzki ist Christian Berkel seit 1998 liiert.
Große Liebe: Mit Schauspielerin Andrea Sawatzki ist Christian Berkel seit 1998 liiert.
© Christian Berkel

Wann bemerkten Sie, dass Frauen Sie attraktiv finden?

Ich habe schon mit zehn gemerkt, dass nicht alle mir gegenüber gleichgültig sind. Bei dem Mädchen, in das ich damals ganz doll verliebt war, bin ich allerdings nicht gelandet. Ich meinte es zu ernst, das war ihr unheimlich. Später bin ich dann ins Gegenteil gekippt, so nach dem Motto: Wenn die große Liebe nicht stattfindet, dann nehme ich eben jede kleine mit.

Seit 1998 sind Sie mit Ihrer Kollegin Andrea Sawatzki liiert. Die zog gerade mit ihrem Traumdekolleté bei "Wetten, dass ...?" alle Blicke auf sich. Lachen Sie beide gemeinsam beim Frühstück über Schlagzeilen wie "Prall, praller, Sawatzki"?

Da konnten wir schon drüber lachen. Ich erinnere mich genau, wie sie mir am Vortag im Schlafzimmer zwei Kleider zur Auswahl präsentierte und ich auf dieses eine tippte, weil ich es schön fand. In dem Moment stand Andrea allerdings. Wir haben nicht bedacht, dass im Sitzen von dem Kleid nicht viel mehr als das Dekolleté zu sehen ist. Da sind wir schon so lange in dem Geschäft - und trotzdem manchmal total naiv!

Ihre Frau sagt, dass sie Ihre Begeisterungsfähigkeit liebt, Ihre Neugier, Ihre Herzenswärme. Was lieben Sie besonders an ihr, abgesehen vom Dekolleté?

Sie ist spontan, ist jemand, der etwas riskiert und sich bei Niederlagen nicht in die Knie zwingen lässt. Und ich liebe ihre Unbedingtheit: Wenn sie sich zu einem Menschen oder einer Sache bekennt, dann ist das bedingungslos und von einer großen Tiefe. Aber in ihrer Kraft steckt auch etwas Verletzbares, und da sind wir uns sehr ähnlich. Vielleicht ist dies das Geheimnis unserer Beziehung: Wir sind uns einerseits sehr ähnlich, bringen das aber andererseits sehr unterschiedlich zum Ausdruck.

Mit Ihrer Partnerin und Ihren Söhnen Moritz und Bruno leben Sie in einer wunderschönen Villa hier in Berlin, die so etwas wie Ihr gemeinsames Werk ist ...

... man kann ruhig sagen, dass es ein Ausdruck unserer Liebe ist. Wir haben jedes kleinste Detail darin gemeinsam entschieden. Erstaunlich war, dass wir bei allem genau dieselbe Vorstellung hatten. Am Hausbau zerbrechen ja viele Ehen. Bei uns war das Gegenteil der Fall.

Kindertraum: Das Baumhaus ließ Christian Berkel für seine Söhne bauen: "Es hat eine Veranda,
zwölf Quadratmeter Innenfläche und
Kindertraum: Das Baumhaus ließ Christian Berkel für seine Söhne bauen: "Es hat eine Veranda, zwölf Quadratmeter Innenfläche und mehrere Schlafplätze."
© Christian Berkel

Und nun wollen Sie im kommenden Jahr auch noch eine eigene Möbelkollektion herausbringen.

Ja, das haben wir vor. Gemeinsam mit unseren Architekten haben wir auch die meisten Möbel in unserem Haus selbst entworfen, allesamt Unikate.

Ihr Sohn Bruno ist neun Jahre alt und wird jetzt schon als Kunsttalent gehandelt. Unter anderem hat er Sie und Andrea porträtiert. Finden Sie, er hat seine Eltern gut getroffen?

An Andreas Porträt mag ich besonders, dass es eine geschwungene und eine gerade Augenbraue hat. Sie sind wie ein Ausdruck ihrer starken und ihrer verletzlichen Seite. An meinem Porträt fallen die unterschiedlich farbigen Augen auf. Vielleicht ist das seine Art auszudrücken, dass meine Augen je nach Lichteinfall grün oder blau wirken.

Sie haben Moritz und Bruno gerade einen lang ersehnten Wunsch erfüllt und ein Baumhaus bauen lassen. Hatten Sie als Kind selbst auch eins?

Nein, leider nicht. Ich hätte auch niemanden gehabt, mit dem ich darin hätte sitzen können. In unserer Gegend in Berlin-Frohnau gab es außer mir keine Kinder. Ich werde nie vergessen, wie meine Mutter kurz nach dem Einzug mit mir an der Hand von Gartentür zu Gartentür lief, klingelte und fragte: "Haben Sie Kinder?" Und immer hieß es: "Nein, leider nicht!" Das war ganz furchtbar. Wenn heute meine Kinder einen Freund mitbringen wollen, müssten sie die Schule schon sehr vernachlässigt haben, damit ich dazu Nein sage.

Mama und Papa: Sohn Bruno, 9, malte diese Bilder. Der Junge gilt als künstlerisch hochbegabt, wird bereits gefördert.
Mama und Papa: Sohn Bruno, 9, malte diese Bilder. Der Junge gilt als künstlerisch hochbegabt, wird bereits gefördert.
© Christian Berkel

Anne Meyer-Minnemann

gala.de

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